Nur eine Granitstele und eine gegossene Stahlplatte mit Inschrift erinnern heute an der Stelle, wo das Theater damals stand, an sie. Den 11. September nahm eine Open-Air-Ausstellung zum Anlass, um 15 Tage lang (bis 26.09.) Interessierten das jüdische Theaterleben in Berlin bis in die NS-Zeit nahezubringen. Auf neun an Bauzäunen aufgespannten Tafeln konnten die Passanten am Wegesrand rund um den Gedenkstein etwas über die Vergessenen erfahren: Von den Anfängen auf kleinen Bühnen im Scheunenviertel im 19. Jahrhundert über das erfolgreiche jiddische Theater der Gebrüder Herrnfeld an der Kommandantenstraße wurden jüdische Künstlerinnen und Künstler sowie verschwundene Spielorte zurück ins öffentliche Bewusstsein geholt.
„Das Grundstück Kommandantenstraße 57 liegt heute in unserem Bestand, also fühlen wir natürlich auch eine Verantwortung“, sagt Martin Fuhrmann, Regionalleiter von Deutsche Wohnen. „Wir finden diese Ausstellungen gerade in der heutigen Zeit unfassbar wichtig und freuen uns, dass Anwohner:innen und Bewohner:innen des Stadtteils Kreuzberg die Gelegenheit hatten, sie anschauen.“
Nie wieder ist jetzt
Im Zentrum der Tafeln stand das Theater des Jüdischen Kulturbundes, in dem die Künstlerinnen und Künstler für ihre jüdischen Mitbürger sangen und spielten, nachdem ihnen die Nationalsozialisten ihre Arbeit unmöglich gemacht hatten. Eröffnet am 1. Oktober 1933 in der Charlottenstraße 90-92 (Berlin-Mitte) mit einer Aufführung von Lessings „Nathan der Weise“, nutzte der Jüdische Kulturbund ab 1936 das frühere jüdische Theater der Brüder Herrnfeld in der Kommandantenstraße 57. Abbildungen und Texte auf den Tafeln riefen einige der zahlreichen, oft ungenannten Mitwirkenden dieses Theaters ins Bewusstsein. Viele von ihnen wurden nach Schließung des Theaters durch die Gestapo am 11. September 1941 deportiert. Die Mehrzahl wurde umgehend nach Auschwitz verschleppt, andere kamen über das Durchgangslager Westerbork und das Ghetto Theresienstadt nach Auschwitz. Was mancher nicht wissen wird: In Westerbork wurde noch bis 1944 Theater und Oper gespielt, und in Theresienstadt ließen die Nazis noch im Sommer 1944 den Propagandafilm „Der Führer baut den Juden eine Stadt“ drehen. Diese Geschichte zeigte die Ausstellung anhand von Abbildungen aus dem Archiv der Akademie der Künste Berlin, der Stiftung Stadtmuseum Berlin, des Jüdischen Museums Berlin und des Altonaer Museums Hamburg, verbunden mit Texten von Alexander Granach, Franz Kafka, Kurt Tucholsky, Camilla Spira, Leo Straus und Paul Celan.
Den Vergessenen ein Gesicht geben
Initiative und Konzept der Ausstellung stammen von Klaus Wichmann, ehemals Technischer Direktor u. a. an der Staatsoper Unter den Linden, der sich immer wieder für wenig beachtete Aspekte der Theatergeschichte engagiert. Über ein Jahr lang hat er zum jüdischen Theater in Berlin recherchiert und Material zusammengetragen – dafür hat er Sammlungen und Archive durchforstet, weil es, wie er ernüchtert feststellte, so gut wie keine Theaterliteratur über jüdische Kulturschaffende in Berlin gibt.
Die Ausstellung war nicht gesponsort, sondern komplett selbstfinanziert. „Angesichts der gegenwärtigen politischen Situation, nicht nur in Deutschland, ist es mir ein Anliegen, an die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Theaters vom Kulturbund Deutscher Juden, ab 1935 jüdischer Kulturbund, zu erinnern", betont Klaus Wichmann. „Die Ausstellung ist dabei nicht als Anklage oder erhobener Zeigefinger gedacht. Ich möchte aufmerksam machen und sagen: Schaut mal, aus vermeintlich schlichten Anfängen ist damals so etwas entstanden und so viel Grauenvolles passiert. Leute, lernen wir daraus!“
Bild: Klaus Wichmann