Klar und schnörkellos
Die Weiße Stadt im Berliner Ortsteil Reinickendorf ist eine der sechs Siedlungen der Berliner Moderne. Entworfen und gebaut wurde sie Ende der 1920er-Jahre von den Architekten Otto Rudolf Salvisberg, Bruno Ahrends und Wilhelm Büning. Sie gilt als eine Ikone des Siedlungsbaus zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts.
„Weiß ist nicht nur die Abwesenheit von Farbe, es ist eine scheinende und verstärkende Farbe, so wild wie Rot, so entschlossen wie Schwarz“, schrieb der englische Schriftsteller Gilbert Keith Chesterton einst. Auch wenn sein Zitat sich nicht auf die Weiße Stadt bezog, so beschreibt es doch treffgenau die einzigartige Siedlung. Tatsächlich ist es das Weiß, das hier – an der Aroser Allee – sofort auffällt. So rein und so klar wie die Formenführung und die schnörkellosen Fassaden. Dazu kommen das Brückenhaus, das sich über die Straße spannt, und die beiden Turmhäuser. Den Architekten ist es mit dieser Siedlung gelungen, einen Meilenstein der Architekturgeschichte zu schaffen. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Großsiedlung seit 2008 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.
Die Menschen in der Weißen Stadt
Ein Jahr später begann die Deutsche Wohnen mit umfassenden Arbeiten zur nachhaltigen Sanierung und Instandsetzung der Dächer, Fassaden, Treppenhäuser, Laubengänge und Balkone. Zudem wurden die Grün- und Hofflächen nach gartendenkmalpflegerischen Grundsätzen umgestaltet und wiederhergestellt. Seit 2012 versorgt ein umweltfreundliches Blockheizkraftwerk die Siedlung mit Wärme und Warmwasser und hat dabei die Primärenergiebilanz der Wohnanlage entscheidend verbessert.
Was in den 1920er-Jahren neu, ja geradezu revolutionär war, ist bis heute beliebt. Von den 1.268 Wohnungen steht nur selten eine leer.
Weitere Informationen zur Weißen Stadt
Bezirk Reinickendorf,
Ortsteil: Reinickendorf, U-Bahnhof Paracelsus-Bad
Straßen: Aroser Allee, Baseler Straße, Bieler Straße, Emmentaler Straße, Genfer Straße, Gotthardstraße, Romanshorner Weg, Schillerring, Sankt-Galler-Straße
Gesamtfläche: 14,3 ha
Anzahl Wohnungen: 1.268
Wohnungsgrößen: 1 bis 3 ½ Zimmer (davon 80 % bis 2 ½ Zimmer)
Erbaut: 1929 bis 1931
Gesamtleitung: Martin Wagner
Städtebaulicher Entwurf: Otto Rudolf Salvisberg
Architekten: Otto Rudolf Salvisberg, Bruno Ahrends, Wilhelm Büning
Beratender Architekt: Friedrich Paulsen
Freiraumplaner: Ludwig Lesser
Bauherr: Gemeinnützige Heimstättengesellschaft Primus mbH
Sanierung: 1949 bis 1954 Wiederaufbau und Grundrenovierung nach originalem Vorbild, seit 1982 denkmalpflegerisches Erneuerungsprogramm
UNESCO Weltkulturerbe: seit 2008
Eigentümer: Deutsche Wohnen, einzelne Wohnungen im Privatbesitz
Die Weiße Stadt und die Großsiedlung Siemensstadt sind die beiden wohnungsbaulichen Schlüsselprojekte am Ende der 20er Jahre. Beide wurden finanziert aus einem 15 Millionen Reichsmark schweren Sonderetat des Magistrats, aufgelegt zu einer Zeit, als andere Geldquellen wie die Hauszinssteuer allmählich versiegten.
Die Weiße Stadt ist eine Großsiedlung mit offener Binnenstruktur aus Rand- und Zeilenbauten und ineinanderfließenden Grünräumen. Beim Bau dominierten Rationalität und Wirtschaftlichkeit. Auf der Basis von Rentabilitätsberechnungen dimensionierte man die Erschließung, aber auch die Gebäudemaße. So konnten Bauteile teilweise vorgefertigt werden.
Deutlich unterscheidet sich der Einsatz der Farbe von den Tautschen Siedlungen: Lebhafte Farbakzente, etwa an Dachüberständen, Fensterrahmen, Regenfallrohren und Eingangstüren, unterstreichen als Kontrast das Weiß der Fassaden.
Einzigartig war die Vielzahl der Versorgungseinrichtungen: 25 dezentral verteilte Läden, ein Kinderheim, eine Arztpraxis, ein Café, und ein (Ende der 1960er-Jahre abgebrochenes) Fernheizwerk mit angegliederter Zentralwäscherei gehörten zur Siedlung.